Emilie Jeanne-Sophie Welti, ein Name wie Musik, der eindeutig nach der kleinen Schweiz, aber gleichzeitig nach der großen Welt klingt. So heißt die heute als Sophie Hunger bekannte Musikerin, als sie 1983 im beschaulichen Bern als Diplomatentochter zur Welt kommt. Gerade ist das sechste Soloalbum der Wahlberlinerin erschienen. „Molecules“ heißt es und STRAIGHT-Musikredakteurin Alexandra Friedrich erzählt uns, was sie davon hält.
Was ich an Sophie Hunger immer besonders geschätzt habe, sind ihr Eigensinn und ihre Sperrigkeit. Ich erinnere mich lebhaft an einen Besuch in einer Talkshow von Anke Engelke vor einigen Jahren: Die Schweizerin sorgte mit ihren unbequemen Antworten für regelrechtes Unbehagen, setzte sich mit der Gastgeberin über die Definition von Popmusik auseinander und stellte auf deren Sprach- und Hilflosigkeit hin fest: „Anke ist viel weniger schlagfertig, als man denkt“.
Auch in ihrer Musik hatte Sophie Hunger nie Angst, anzuecken, hat nie versucht, mit dem Strom zu schwimmen. Anstatt sich auf ein Genre festzulegen, wechselte sie (sehr gekonnt) zwischen jazzigen Sounds, Folk und Chanson. In ihren Texten switchte sie zwischen Französisch, Deutsch, Schweizerdeutsch und Englisch. Kluge und poetische Songs zu schreiben in vier unterschiedlichen Sprachen ist einerseits ein Kunststück, andererseits die Verneinung von Konvention und somit des Mainstreams.
Molecules: Alles neu bei Sophie Hunger oder doch nicht?
Beides hat sich auf „Molecules“ auf eine Weise geändert – und auch wieder nicht. Die 35-Jährige entscheidet sich erstmalig für eine Sprache: Englisch. Und auch musikalisch unterscheidet sich das Album von seinen fünf Vorgängern. Zum ersten Mal spielt elektronische Musikproduktion die Hauptrolle, lediglich die akustische Gitarre ist noch in wenigen Songs tonangebend. Wie in der Sprache begrenzt sie sich auch musikalisch ganz bewusst stärker als zuvor – auf vier Elemente: programmierte Drumbeats, Synthesizer, die Stimme und akustische Gitarre.
Das Album klingt dadurch kohärenter, aber trotzdem bleibt es musikalisch abwechslungsreich. Es finden sich in den Songs Anklänge von Krautrock („Tricks“, „Electropolis“), Clubsounds („Oh Lord“), TripHop („That Man“), Folktronica (“Sliver Lane”), Synthie-Pop (“Let It Come Down”) und funky No Wave („I Opened A Bar“).Die Texte sind oft sehr persönlich („There Is Still Pain Left“), aber auch politisch („She Makes President“), teils als Spoken Word vorgetragen, mal zärtlich, mal angriffslustig, mal dringlich gesungen – mit einer Stimme, die kristallklar ist und gleichzeitig fragil wie stark anmutet.
Mit „Molecules“ könnte Sophie Hunger die Gratwanderung gelingen, eine noch größere Hörer*innenschaft zu erreichen, ohne die alten Fans zu verlieren. Die Platte ist eingängiger und massentauglicher als die vorherigen Alben, trotzdem weit entfernt vom kommerziellen Einheitsbrei. Für den ist die wunderliche Sophie Hunger nämlich viel zu eigenbrötlerisch. Sogar für ihre Tour zum Album wählt sie eine unkonventionelle Form – sechs deutsche Großstädte, in denen sie jeweils bis zu fünf Nächte hintereinander gastiert. Ich bin mir sicher: Jedes Konzert wird einzigartig und ist einen Besuch wert.
Live-Termine von Sophie Hunger:
06.09.18 München · Freiheiz
07.09.18 München · Technikum
08.09.18 München · Strom
15.09.18 Berlin · Kesselhaus
16.09.18 Berlin · Festsaal Xberg
17.09.18 Berlin · Heimathafen
18.09.18 Berlin · Columbia Theater
19.09.18 Berlin Berghain Kantine
24.09.18 Köln · Gebäude 9
25.09.18 Köln · Live Music Hall
26.09.18 Köln · Kantine
29.09.18 Hamburg · Mojo
30.09.18 Hamburg · Uebel & Gefährlich
02.10.18 Hamburg · Grünspan
01.11.18 Osnabrück – Rosenhof
08.11.18 Bremen – Schlachthof
Sophie Hunger „Molecules“ veröffentlicht am 31.08.2018 via Caroline International/ Universal Music
Headerfoto: Marikel Lahana