Chela und Chiquita sind schon lange ein Paar, über die Jahre sind sie in ihren Rollen innerhalb der Beziehung erstarrt. Ein Interview mit Regisseur Marcelo Martinessi über die Hintergründe zum Film.
Die Story:
Während die extrovertierte Chiquita das gemeinsame Leben organisiert, verbringt Chela die Tage lieber bei gedämpftem Licht hinter ihrer Staffelei. Die finanzielle Lage des Paares ist nicht rosig und zwingt die beiden dazu, Teile ihres geerbten Mobiliars zu verkaufen – selbst, wenn es sich um Erinnerungsstücke handelt. Als Chiquita wegen Überschuldung ins Gefängnis kommt, ist Chela plötzlich auf sich allein gestellt …
Wie sind Sie auf die Geschichte mit Chiquita und Chela gekommen? Steht die Geschichten der Beiden in Verbindung mit einem bestimmten Aspekt der Geschichte Paraguays?
Es ist unmöglich, über das paraguayanische Kino zu sprechen, ohne sich die „Jahre der Finsternis“ bewusst zu machen, einige Jahrzehnte, in denen es unmöglich war, Filme zu machen. In den 1960er und 1970er Jahren, während der Rest Lateinamerikas seine eigenen Geschichten auf der Leinwand erzählte, blieb mein Land unsichtbar. Darum ist der Aufbau einer eigenen Cinematographie eine der Schlüsselaufgaben für meine Generation.
Als ich die Geschichte von Chiquita und Chela schrieb, erkannte ich, dass ich versuchte, in einen Dialog zu treten mit dieser Epoche der Dunkelheit und mit einer Gesellschaft, die sich nicht verändern möchte, einer Gesellschaft, die sich verstecken möchte, sich an ihrem eigenen Schatten festklammern möchte.
Der letzte Staatsstreich im Jahr 2012 machte deutlich, dass es immer einen Flirt des kleinbürgerlichen Teils unserer Gesellschaft mit autoritären Regimen gab. Und ich spreche nicht nur von den starken Charakteren, die mit Stiefeln und Gewehren die Zeit bis in die 1980er hinein prägten. Die neuen „demokratischen“ Führer, die sich heute die Gewinne aus Drogenschmuggel und Korruption untereinander aufteilen, brauchen auch Komplizen in unserer Gesellschaft, um die selben Ängste und das selbe Schweigen aufbauen zu können.
Ich persönlich bin an dem Alltagsleben außerhalb dieser Sphären der Macht interessiert, auch innerhalb der herrschenden Klasse. Es war unwichtig, „Die Erbinnen“ an einem explizit benannten Zeitpunkt in unserer politischen Geschichte zu platzieren, denn das Gefühl in einem riesigen Gefängnis zu leben bleibt unverändert. Und in erster Linie ist „Die Erbinnen“ ein Film über Gefangenschaft.
Können Sie uns mehr erzählen über das gesellschaftliche Setting des Films, die bürgerlichen Familien, aus denen beide Frauen stammen?
Das schlimmste an einem Regime, das gleichzeitig beschützt und unterdrückt, ist die Erschaffung von Individuen für die es unmöglich ist, seiner Logik zu entkommen. Paraguay ist weltweit eines der Länder mit der größten Ungleichheit und diese Frauen gehören zu dieser beschützten/privilegierten Elite, die sich über das Dach über ihrem Kopf und das Essen auf ihrem Teller keine Sorgen machen müssen.
Aber die Geschichte nimmt Fahrt auf, als sie ihre Sicherheiten verlieren und keinen Weg finden, sich der neuen Realität anzupassen. Die Hauptfigur braucht weiterhin ihr teures Auto, ihre Dienerin, ihren kleinen Luxus. Und selbst, wenn das Auto alt und die Dienerin unerfahren ist, tut sie alles, um diesen Komfort zu bewahren. Deshalb verändert sie der alltägliche Vorgang, einen Job zu haben und Geld zu verdienen, so einschneidend. Plötzlich taucht ein Begehren auf, wie eine neue Landschaft, fast unbekannt, aber voller Möglichkeiten.
Foto/Text: Pressematerial Die Erbinnen