Fünf Frauen haben es in die Top Ten des LGBT+ Leadership Contest RAHM in Berlin geschafft. Gewonnen hat Tarek Hassan.
Bereits zum dritten Mal kamen (angehende) Führungskräfte zusammen, um sich beim derzeit weltweit einzigen LGBT+ Leadership Contest RAHM von Uhlala zu messen. Zum eintägigen Finale Ende Juli in Berlin waren 80 Personen eingeladen, insgesamt hatten sich 345 beworben.
Im Vorfeld mussten alle Bewerber*innen ihren Lebenslauf und ein Empfehlungsschreiben einreichen sowie an einem Video-Assesment-Center teilnehmen. Am Finaltag präsentierten sich die Auserwählten in Gruppenarbeiten und Diskussion einer Jury aus 20 Top-Führungskräften. Die Finalist*innen mit den überzeugendsten Leadership-Fähigkeiten wurden anschließend gekürt und im Anschluss mit Preisen ausgezeichnet, u. a. die Teilnahme am ersten LGBT+ Leadership Programm an der Wirtschaftshochschule ESCP Europe.
Warum ist ein solcher LGBT+ Leadership Contest wichtig für das Berufsleben?
Lebensmodelle abseits der „Mama-Papa-Kind-Schablone” sind zumindest in Deutschland akzeptierter als vor zehn Jahren, auch seit unserem Artikel „Kein Bock auf Stigma“ aus der STRAIGHT Magazine Ausgabe Nummer 1 hat sich einiges getan, doch längst nicht selbstverständlich. Die eine lesbische Lehrerin verheimlicht ihre Partnerin vor der Rektorin, der schwule Bankangestellte lacht in der Mittagspause lieber verlegen mit den Kollegen über Schwulenwitze. Die Arbeitswelt ist intolerant. Und Bemühungen um Diversität mit persönlichem Einsatz verbunden. Ein Contest wie RAHM hilft.
„‘You can’t be what you can’t see.’ Wir brauchen mehr Repräsentation sexueller und geschlechtlicher Minderheiten. Als Deutsch-Araber, Moslem und queere Person fehlten mir in Deutschland Rollenbilder, an denen ich mich orientieren konnte. RAHM schafft einen Raum für diverse Identitäten und hebt diese hervor. Es ist oft einschüchternd sich für LSBTIQ+ Rechte einzusetzen, während man gleichzeitig einer erfolgreichen Karriere nachgehen möchte. RAHM hebt diesen Widerspruch auf und überwindet die Grenze zwischen sozialer Gerechtigkeit und der Berufswelt.“, erklärt Gewinner Tarek Hassan, der als Junior Consultant for Innovation Management bei der GIZ arbeitet.
Wie weit sind Unternehmen beim Thema Diversität?
Wo Vielfalt herrscht ist Toleranz unerlässlich. Hier setzt die Theorie des US-Ökonomen Richard Florida an. Wenn er von der „Kreativen Klasse” spricht, stützt er sich auf drei sich ergänzende Faktoren: Technologie, Förderung von Talenten, Toleranz. Das Ergebnis ist ein innovatives Umfeld – der Schlüsselfaktor für wirtschaftliches Wachstum. Das bestätigt auch Soziologe Constantin Schön. „Aus der Diversitätsforschung wissen wir, dass Unternehmen, die auf Innovation angewiesen sind, von einem Umfeld profitieren, das divers ist und wo Vielfalt gefördert wird.”
Seit neun Jahren veranstaltet Stuart Cameron mit seiner Firma Uhlala die LGBT-Karrieremesse Sticks & Stones. Nun bereits zum dritten Mal auch den Wettbewerb RAHM. Beide Events werden durch die Zusammenarbeit mit Unternehmen wie SAP oder Babbel gestemmt, die Teilnahme an RAHM ist daher z.B. kostenlos. Doch es ist nicht selbstverständlich, dass (große) Unternehmen mit gutem Beispiel für Diversität an die Öffentlichkeit gehen, sagt Stuart Cameron.
„Es ist nach wie vor schwierig, Unternehmen zu finden, die für ein gutes Diversity-Management im Bereich LGBT+ eintreten. Es gehört heute einfach nur zum guten Ton LGBT+-freundlich zu sein. Unternehmen schmücken sich gern mit den Begriffen. Es ist aber leider oft ein Sonnenschein-Thema. Sobald es regnet, wird gut und gern der Kopf eingezogen. Ich höre auch nicht selten: ‘Wir haben doch gar kein Problem damit, dass unsere Mitarbeiter*innen LGBT+ sind, also warum brauchen wir Maßnahmen in diesem Bereich?’ Das hat nichts mit Wertschätzung zu tun. Obendrein zeigen sie damit auch, dass sie das Potenzial von Diversity immer noch nicht verstanden haben.”
LGBT+ Menschen noch immer zurückhaltend im Umgang mit ihrer Orientierung
Die Fakten machen deutlich: Es gibt einiges zu tun. Noch immer behält die Mehrheit der LGBT+-Arbeitnehmer ihre sexuelle Identität lieber für sich. Warum? Die Gründe sind so unterschiedlich wie Menschen verschieden sind. Das belegt die 2017er Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) zum Umgang mit sexueller Identität am Arbeitsplatz. Die gibt keinen Anlass zum Konfetti schmeißen. Drei Viertel der Befragten gaben an im Job diskriminiert worden zu sein: angeguckt (64 Prozent), ignoriert (43 Prozent) oder sexuell belästigt (39 Prozent). Jeder Zehnte berichtet, sie oder er sei wegen ihrer oder seiner sexuellen Orientierung versetzt, entlassen oder gar nicht erst eingestellt worden.
Wenn Stuart Cameron auf Unternehmen zugeht, geht es darum klarzumachen, dass Toleranz gegenüber LGBT+ Mitarbeitern einfach nicht ausreicht, sondern Wertschätzung ein essenzielles Kriterium für Erfolg ist. „Anerkennung und Respekt zählen zu den Grundbedürfnissen der Menschen, warum also nicht auch im Job? Früher haben wir gearbeitet, um zu leben. Heute findet unser Leben gut und gern in der Arbeitszeit statt. Wir verbringen also die Hauptzeit unseres Lebens mit unseren Kollegen, der Chef*in und Mitarbeiter*innen. Opfere ich mein Potenzial und meine kostbare Lebenszeit lieber einem Arbeitgeber der mich nur toleriert oder wertschätzt?“, sagt Stuart Cameron.
Auch das ist Fakt: Wenn sich Mitarbeiter*innen wohlfühlen, stehen die Chancen weitaus höher, dass sich ein offenes Arbeitsklima entwickelt, also ein Arbeitsumfeld in dem Kreativität fließen kann und damit die Möglichkeiten auf Gewinn für das gesamte Unternehmen.
Die TOP 10 des RAHM-Contests Berlin 2018
- Anne Gerlieb, Galerie & Ausstellung Manager, Carré d’Artistes
- Nico Witteborg, Student, Technische Hochschule Köln
- Annette Pampel, Senior HR Consultant Diversity, Coca-Cola European Partners
- Philipp Kränzle, Management Consultant, The Boston Consulting Group
- Jenny Bluhm, Senior Patient Engagement Manager, AbbVie GmbH & Co. KG
- Rafael Schultz, Co-Founder & CEO, Dash Embassy D-A-CH UG
- Karla Schönicke, Product Owner, RatePAY
- Tarek Hassan, Junior Berater, GIZ
- Kora Kirby, MSc in Neuroscience of Language in Reading
- Thomas Richter, Rechtsanwalt/Associate, Hogan Lovells International LLP
Der RAHM Contest 2019 wird nächstes Jahr in verschiedenen Städten stattfinden, u. a. in Toronto, Hong Kong, London und Berlin. Alle Trans Personen (binär und nicht-binär), lesbische Frauen, bisexuelle Menschen, schwule Männer und Straight Allies mit Führungstalent, von Studierenden bis hin zu Top-Executives, sind dazu eingeladen, sich bei RAHM zu bewerben. Die Bewerber*innen sollten eine starke Persönlichkeit und exzellente akademische und/oder berufliche Leistungen vorzuweisen haben. Um Teil der RAHM Community zu werden, kann man sich unter www.rahm.ceo bewerben.
Fotos Caro Kadatz