„Die Kraft ist weiblich!“ – Wrestlerin Anna Konda über starke Frauen jenseits von Netflix.

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Written by Straight Redaktion

5. Juli 2017

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Jenji Kohan und Carly Mensch haben es wieder getan. Sie haben eine neue Serie am Start. G.L.O.W. (ausgeschrieben „Gorgeous Ladies of Wrestling“) heißt sie, und ist eine Neuauflage der gleichnamigen Wrestling-TV-Show. Damals, in den Achtzigern, war es die erste Show, bei der nur Frauen gegeneinander antraten. Das „neue“ G.L.O.W. ist allerdings unverkennbar ein Werk der „Orange is the New Black“-Schöpferinnen: Ulkiger Humor und witzig-böse Dialoge ziehen sich durch alle Folgen und das charmante 80ies-Setting macht die Serie zusätzlich mehr als sehenswert. Wer tiefer in das Thema Wrestling einsteigen will, fragt allerdings besser eine Expertin. Eine, wie z. B. Wrestlerin Anna Konda, mit der unsere STRAIGHT Autorin Kim Kastir zum Mittag über Wrestling, starke Frauen, Körperbewusstsein und die Ehe für alle plauderte.

„Sie würgt, sie quetscht, sie lässt ihre Opfer nicht mehr los.“

Anna Konda, das ist ihr Name und der kommt nicht von ungefähr: Seit 2010 betreibt die Berliner Wrestlerin gemeinsam mit ihrer Trainingspartnerin Red Devil den Female Fight Club in Berlin-Marzahn. Bei einem Teller Nudeln merke ich schnell, dass die 165 cm große Frau wahrlich ein echtes Kraftpaket ist, körperlich wie auch mental. Wie kommt man zum Wrestling und warum, habe ich erst mich und dann Anna gefragt. Die Antwort darauf kommt so schnell, wie ihre Gegner auf der Matte liegen:

 „Es geht darum, zu zeigen, dass Frauen den Männern sehr wohl überlegen sind und dass Männer, die das akzeptieren können, ein sehr schönes Leben haben können. Die Kraft ist weiblich, sagen wir gerne. Gerade zwischen den Hüften und Schenkeln einer Frau, das sind gute Hebel – besser als bei den Männern. Es geht darum, den Männern mal ihren Platz zu zeigen. Auch mal mit körperlichem Nachdruck.“

Starke Frauen sucht und findet man in der Lesben-Szene.

Sie versteckt sich nicht. Sie duckt sich nicht. Sie sagt, was sie denkt, und lebt, wofür sie steht. Und das gefällt Männern wie Frauen – aus ganz unterschiedlichen Motiven. Die Frauen, die sich bei ihr zum Training anmelden, „haben Bock sich zu prügeln“, wie sie sagt. Das seien vorwiegend Lesben, aber nicht nur. Ich frage sie nach ihrer Theorie dazu, nach dem Warum.

„Lesben haben meistens eh schon immer rebellieren müssen. Zuhause, in der Schule, auf der Arbeit. Da wundert es mich nicht. Denen ist es egal, was andere denken. Meine Trainingspartnerin Red Devil habe ich auch online in einem Lesben-Forum gefunden. Ich habe mir gedacht, da finde ich bestimmt eine, die Lust darauf hat und so war es denn ja auch.“

Ob Klischee oder nicht, vielleicht hat sie damit gar nicht so Unrecht, mit dem Rebellieren, denke ich mir im Stillen. Und apropos Klischee: Was sagt Anna denn zum G.L.O.W.-Wrestling? 

„Dieses Pro-Wrestling, das ist doch alles Fake. Das ist eine Show, da werden Moves einstudiert. Das bedeutet nicht, dass es nicht auch anstrengend ist oder gefährlich. Aber bei uns geht das nicht. Bei uns gibt es immer schnell ein Handgemenge, ein wildes Gefuchtel – da ist nichts gefaket. Das kann man gar nicht faken. Bei uns gibt es auch keine Regeln. Eigentlich nur, dass wir uns nicht unbedingt blutig schlagen und wenn einer abklopft, ist Schluss. Aber na klar, es können auch mal schnell Knochen brechen. Rippenbrüche. Alles schon passiert.“

https://www.youtube.com/watch?v=AZqDO6cTYVY

Mit jedem Satz, mit jeder Geste wird der Kontrast zwischen Fiktion und Realität im Wrestling deutlicher. Oder sagen wir: zwischen amerikanischem Show-Wrestling und dem, was sich abseits dessen abspielt. Anna ist mit sich im Reinen und das sieht man, auch auf der Matte. Auf der sie übrigens auch gerne mal nackt ist. Geht es da eigentlich um Erotik, oder ist das rein praktischer Natur, frage ich sie.

„Es geht beim Wrestling nicht ums Hübschsein – wie die Haare sitzen. Make-up kannste vergessen. Es geht auch nicht um Körpergröße oder -form. Es geht darum, den Frauen zu zeigen, was sie mit ihrem Körper machen können, wenn sie wissen, was sie tun. Und jeder Körper sieht gut aus, wenn man etwas trainiert. Ob da jetzt Speck über den Muskeln ist oder nicht. Es geht um das WIE, nicht WIEVIEL. Wir sind stolz auf unsere Körper. Wir wollen zeigen, wofür wir gearbeitet habe. Ich mag das ganz gerne, weil ich dann meine Möpse auch als Waffe einsetzen kann.“

Anna Konda in Action, Foto Katarzyna Mazur

Ja, die „Möpse“ oder den „schönen, großen Hintern“ mal als Waffe einzusetzen, das kommt gerade dann ins Spiel, wenn sich Männer bei ihr melden. Die dürfen sich gerne ihre Abreibung holen. So manch einer kommt dabei schon mal schneller in Panik, als gedacht. Gerade, wenn er zwischen Anna Kondas Schenkeln keine Luft mehr bekommt. Anna lacht, während sie das erzählt. Sie genießt das Gefühl von Macht, von der Freiheit, selbst bestimmen zu können, wer unter ihr liegt und wie. Zum Abschluss des Gesprächs brennt mir dann allerdings doch noch eine Frage auf der Zunge. Es geht um die Ehe für alle. Ob sie die Diskussion verfolgt hat?

„Meine Trainingspartnerin hat gerade ihre Freundin geheiratet. Ich wusste nicht, dass es da noch Unterschiede gibt. Letzten Endes, warum nicht. Mir ist das wurscht. Ich wusste nicht, welche Rechte noch fehlen. Wenn’s irgendwo eine Verbesserung gibt, soll man das umsetzen, fertig. Das wahlpolitisch einzusetzen, find ich furchtbar. Dieses plakative „sich damit beschäftigen“, find ich furchtbar. Wir haben andere Probleme in Deutschland. Die Flüchtlingspolitik zum Beispiel. Oder Meinungsfreiheit.“

Anna Konda selbst nennt sich „nicht politisch“, macht sich aber Sorgen um die Selbstbestimmtheit der Frau. Gerade in Bezug der „neuen Mitbürger“, die so zahlreich einwandern. Ich belasse es dabei und trete trotzdem ein wenig beeindruckt von so viel Unbeirrtheit und mentaler Stärke den Heimweg an.

Ist die Serie G.L.O.W. nun durchgefallen?

Ruth Wilderer im G.L.O.W. gespielt von Alison Brie

Auf keinen Fall! Dass Frauen wie Ruth Wilderer (gespielt von Alison Brie) in den Achtzigern so mutig waren, sich in der Männer-Domäne Wrestling einen Namen machen zu wollen, verdient absoluten Respekt. Ob mit Föhnwelle oder ohne. Auf die Konventionen zu pfeifen, in den Ring zu steigen und der Sekretärinnen-Rolle den Rücken zuzukehren, demonstriert einmal die Stärke der Frau, die wir gerne sehen und hören. Nach dem Gespräch mit Anna Konda muss ich ehrlicherweise sagen, dass das „echte Wrestling“ zwar etwas zu kurz kommt, aber das ist nicht so wild. Gut, dass das Thema überhaupt eine so große Bühne bekommt. Denn wie sagte Anna Konda so schön:

„Es geht darum, das Rollenbild mal zu verschieben. Ich mische mich nicht ein in Beziehungen, aber ich möchte einen alternativen Weg zeigen. Egal ob Mann-Frau oder Frau-Frau, es geht auch anders, als das klassische Rollenverständnis.“

Jawohl! Zückt euer Popcorn und macht es euch auf dem Sofa bequem, denn G.L.O.W. lohnt sich, so oder so. Und wer weiß, vielleicht steht (oder liegt) ja bald die ein oder andere von euch begeistert bei Anna Konda und dem Female Fight Club Berlin auf der Matte. Einfach vorher anrufen, Termin vereinbaren und los geht’s.

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Fotos: Netflix, Katarzyna Mazur 

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