Lange gab es nur Hella von Sinnen, dann kam Maren Kroymann und gab Lesben in Deutschland ein weiteres prominentes Gesicht. Das ist mittlerweile mehr als 20 Jahre her. Am 9. März startet im Ersten mit der Schauspielerin ein neues TV-Satireformat, „Kroymann“. Mit STRAIGHT-Chefredakteurin Felicia Mutterer sprach die Maren Kroymann ganz ernsthaft über Schubladen, Straight Acting und Sichtbarkeit.
Lesbenklischees. Welche davon gingen Ihnen bislang am meisten auf die Nerven?
Dieses „Sie sehen ja gar nicht so aus!“, das hoch zwiespältig ist. Ich bin mit Frauen zusammen und dann werde ich dafür gelobt, dass ich so aussehe, als ob ich keine Lesbe wäre. Seltsam, als würde man zu einem farbigen Menschen sagen: Mensch, Du bist ja gar nicht so dunkel, Du siehst ja fast aus wie ich, super! Was ist denn das für eine Toleranz, die letztlich nur das akzeptiert, was so ähnlich aussieht wie man selber.
Lesben, die nicht sonderlich sichtbar sind mit ihrer Optik, ihrer Lebensweise, klagen, dass sie innerhalb der lesbischen Welt Schwierigkeiten haben, ihnen wird Straight Acting vorgeworfen…
… das habe ich noch nie erlebt. Ich habe mich spät Frauen zugewandt, mich aber dann ziemlich schnell geoutet, keiner kann mir vorwerfen, dass ich versuche einen auf heterosexuell zu machen. Ich bin wie ich bin und sehe aus, wie ich aussehe. Ich war früher mit Männern zusammen und nun seit mehr als 20 Jahren mit Frauen. Aber gerade in so einem Fall ist natürlich die klare Haltung wichtig, die eventuelle Fehleinschätzungen korrigiert. Ein selbstverständliches Dazu-Stehen.
Für mich ist es übrigens auch ein Fortschritt, dass ich als Frau, die bekanntermaßen Frauen liebt, wieder Rollen kriege, in denen ich heterosexuelle Liebhaberinnen spiele. Das Ziel kann ja nicht sein, dass ich mich als Lesbe oute und fortan nur noch Lesben spiele. Ich will einfach, dass es Wurscht ist, dass ich die selben Rollen bekomme wie die vor meinem Coming Out. 20 Jahre später bin ich glücklicherweise so weit in meiner Karriere.
Unter jungen lesbischen Schauspielerinnen – so zumindest haben wir den Eindruck – ist die Lockerheit noch nicht überall angekommen. Sie wollen sich im Hinblick auf ihre Karrierechancen nicht outen. Kennen Sie das?
Ja, klar, die Karriere-Einbuße ist immer die große Angst. Bei Schauspielerinnen, bei Sportlerinnen… Auch Angst vor Liebesverlust, vor Verlust von Akzeptanz, von Popularität, von finanziellem Status. Ich glaube, meistens ist die Angst größer als das, was dann real an Negativem passiert. Ich möchte die jungen Frauen ermutigen, sich zu trauen. Es soll kein Dogma sein, aber es gibt definitiv inzwischen mehr Spielraum fürs Offen-Leben als noch vor 20 Jahren. Wir müssen ihn nur nutzen. Frauen tun sich dabei schon schwerer als Männer. Umso toller fand ich es, als Ulrike Folkerts sich geoutet hat – ganz bestimmt , nachdem auch sie lange mit sich gerungen hat. Sie ist so ein wichtiges role model für ganze viele Frauen , auch junge. Sichtbarkeit ist wichtig. Sie verändert unser Leben . Großartig war auch, dass – und wie – Miriam Meckel und Anne Will ihre Beziehung öffentlich gemacht haben. Die euphorische Reaktion der BILD -Zeitung auf ihr Coming out war allerdings ziemlich überdimensioniert damals. Ich glaube, dreimal hintereinander waren sie auf der Titelseite. Als ob diese Gesellschaft nichts mehr liebt als Lesben. Ich glaube kaum, dass die Pressereaktion auch nur annähernd so positiv ausgefallen wäre, wenn sich zwei sympathische, kurzhaarige Frauen mit Holzfällerhemd und kräftigem Schuhwerk geoutet hätten. Notorisch schöne Frauen steigern halt die Verkaufszahlen… da dürfen sie sogar lesbisch sein, so war das eher. Aber immerhin! Ich will ja nicht meckern über die positive Resonanz auf dieses Coming-Out. Es war auch gut, dass das öffentliche Bild von Lesben um die, nennen wir es mal, Beauty-Variante bereichert wurde. Es war auch für uns Lesben wichtig – wegen der größeren Vielfalt, der reicheren Identifikationsmöglichkeiten. Raus aus der Schublade. Das war doch ermutigend.
Was muss passieren, damit die Scheu vor dem Coming Out geringer wird?
Ich glaube die jungen Frauen haben manchmal auch Angst davor, sich zu definieren. Sie wollen sich alle Möglichkeiten offen halten. Das Wort „Lesbisch“ scheint ihnen eine Festlegung für ihr Leben zu sein, die sie scheuen. Als die EMMA vor gut 20 Jahren, nach dem Coming Out, ein Interview mit meiner damaligen Freundin und mir brachte, schrieb eine Frau einen skeptischen Leserinnenbrief: die Kroymann fällt ja doch irgendwann wieder um. Das klang so, als ob Lesben sich als eine Art Sekte sehen, wo man nicht wieder rausdarf, wenn man einmal drin ist. Das ist doch gar nicht der Punkt, Es geht doch darum, dass zu leben, was im Moment ist. Zu der Beziehung zu stehen, die ich JETZT habe. Wenn das alle Lesben oder meinetwegen frauenliebenden Frauen täten – zu der Frau stehen, die sie lieben, vor ihren Berufskollegen, Vorgesetzten, vor ihrer Familie, den FreundInnen, vor ihrer Partnerin und vor allem vor sich selbst, dann wäre schon so viel gewonnen. Unsere Gesellschaft wäre anders. Ich bin ja der Inbegriff von einer Frau, die ihre Sexualität gewechselt hat. Ich war 20 Jahre mit Männern zusammen und dann habe ich mich in eine Frau verliebt und anschließend noch mal in eine. So wurde ich zur Lesbe. Wenn jemand mich, als ich 17 war, gefragt hätte, ob ich mir vorstellen kann, mal lesbisch zu werden, hätte ich dem doch den Vogel gezeigt. Wichtig ist ja nur, dass die Menschen zu dem stehen was sie lieben. Das sollen sie können, ohne dafür diskriminiert zu werden. Und dennoch finde ich, die Angst vor der Bezeichnung als „Lesbe“ hat etwas Irrationales. So wie Kinder, die sich die Hände vor die Augen halten und sagen: Such’ mich! Ich bin nicht da! Die Frauenliebe geht ja nicht weg, wenn wir die Bezeichnung ändern. Wir müssen uns trotzdem dazu verhalten.
Für mich hat das Wort, mit dem wir uns bezeichnen, auch etwas politisches. Es ist bekanntlich immer noch so: Frauen, die Frauen lieben sind geächtet und Männer, die Männer lieben, auch. All die Rassisten, die Menschen wegen ihrer Herkunft , ihrer Hautfarbe, ihrer Religion diskriminieren, hassen auch Homosexuelle. Ich finde es daher klasse, wenn sich Frauen dagegen stellen und bewusst sagen: Ich nenne mich so und bin eine von denen, die Ihr hasst.
Aber klar: nicht jeder muss politisch sein und was verändern wollen. Solange alle leben, wie sie leben wollen und nichts versteckt und vertuscht wird, ist das ja auch schon was, WÄRE das schon was…
Aber Sie sind die Sache schon immer politisch angegangen?
Ich wollte was verändern. Ich war ein aufsteigender Fernsehstar und wollte meine Prominenz für was Sinnvolles nutzen: Und zwar dass es jetzt eine Lesbe außer Hella von Sinnen oder Cornelia Scheel gibt, damit wir sichtbarer werden. Ich liebe und schätze die beiden übrigens sehr. Hella war ja die erste sichtbare prominente Lesbe überhaupt. Das ist doch heute auch noch das Problem: Dass die Leute denken, uns gibt es doch gar nicht. Solange es so ist, habe ich das Bedürfnis öffentlich dafür einzutreten.
Ich kenne Leute in meinem Alter und auch Jüngere, vor allem in Süddeutschland – da wirken sich Jahrzehnte CDU- und CSU- Regierung eben doch auf das Verhalten der Menschen aus – die haben wirklich Probleme offen zu sein. Das wird dann gerne in Sätze gekleidet wie: Jeder kann machen, was er will. Man muss es ja nicht auf dem Tablett vor sich hertragen. Das heißt de facto dann Doppelleben: Ich lasse nichts raus, ich sage nicht, ich war am Wochenende mit meiner Freundin unterwegs – weil das ja niemanden etwas angeht, Privat und Beruf kann ich gut trennen. Diese Sprüche kenne ich, von nicht offen lebenden Homosexuellen wie von Heterosexuellen, und sie gehen mir seit Jahren auf den Senkel. Das ist Schein-Toleranz. Es ist verlogen und heiß nichts anderes als: lasst mich mit Eurer Scheiß Homosexualität in Ruhe, ich will es nicht wissen. Das mündet dann da hinein, dass man einfach nicht drüber spricht.
Wie ging es Ihnen als Sie bemerkt haben: Ui, ich mag Frauen!?
Ich hatte , seit ich erwachsen bin, schwule Freunde. Ich habe mit schwulen Männern in einer WG gelebt. Ich habe ihr Coming out mitgekriegt – ich rede wohlgemerkt von den 70er, 80er Jahren – und fand sie total tapfer und vorbildlich. Und dann ist es mir selbst passiert. ich war ja schon lange Feministin und hatte in der Auswahl meiner Kontakte eine Tendenz , Frauen zu bevorzugen. Zum Beispiel ging ich lieber zu einer Ärztin als zu einem Arzt, so was. Irgendwann dachte ich, mehr so als Witz: Fehlt eigentlich nur noch, dass ich Sex mit einer Frau habe. Und als das passierte, war ich erstaunt wie schnell es ging. Ich war nicht verwirrt. Dafür hatte ich mich mit dem Thema zu viel befasst. Und dazu war es zu schön. Ich fand es dann einfach gut, als ob es so gehört.
Größte Veränderung seit damals für Sie?
Es hat ein paar Jahre gedauert, aber jetzt merke ich, dass die Leute eine gewisse Achtung dafür haben, dass ich für die Sache kämpfe. Leute rechnen mir das an, dass ich mich explizit für eine Sache eingesetzt und momentweise auch Karriere-Einbußen in Kauf genommen habe. Das schafft mir ein Standing und Glaubwürdigkeit, die mir jetzt zu Gute kommt – vielleicht sogar irgendwann im Beruf.
Maren Kroymann in Kroymann
In „Kroymann“ schlüpft die Schauspielerin, Musikerin und Humoristin Maren Kroymann in verschiedene Frauenrollen. Als ältestes Mitglied einer Frauenrechtlerinnen-Bewegung, als Frau im reifen Alter in einem Bewerbungsgespräch und als mittelalte Patientin in einer besonderen Therapiestunde zeigt Maren Kroymann wieder einmal ihr außergewöhnliches satirisches Talent. In „Kroymann“ präsentiert eine weibliche Comedian über 50 die kleinen und großen Absurditäten der Gegenwart.
Die neue Satiresendung ab Donnerstag, 9. März 2017, 23.30-00.00 Uhr, im Ersten.