Wer in Uganda homosexuell ist, spielt mit seinem Leben. Der einzige Ausweg ist die Flucht. Flüchtling Melisa über ihr Leben als Verfolgte.
Melisa ist 21 – Sie ist auf der Flucht, seit sie 17 ist. Auf der Flucht vor ihrem Onkel, der sie mit dem Tod bedrohte. Auf der Flucht vor dem Mob, der zu Hause in Uganda Lynchjustiz an Homosexuellen verübt und ihre Lebensgefährtin tötete. Und sie ist auf der Flucht vor einem Leben in Angst.
„Wenn du nicht heiratest, bringe ich dich um. Du hast Schande über die Familie gebracht“. Mit diesen Worten verurteilte Melisas Onkel die junge Frau zu einem Leben auf der Flucht. Sie war 17, hatte gerade ihre erste Freundin und war glücklich mit ihr. Melisa erzählt stockend von ihrem Leben in Kampala, der Hauptstadt Ugandas. „Wir mussten schnell weg von dort, und zwar weit weg“. Immer wieder zogen die beiden um, aufs Land und dann von einem Dorf in das nächste. Sie mussten sich verstecken. Nicht auffallen ist für viele lesbische Frauen in Uganda die einzige Überlebenschance. „Sie erlauben Homosexualität nicht. Wir hatten keine Unterstützung, niemanden, an den wir uns wenden konnten“. Melisa und ihre Freundin waren alleine und bedroht.
Lynchjustiz und Behördenwillkür
In Uganda werden Homosexuelle öffentlich denunziert und misshandelt. Auch, wenn die Todesstrafe für Homosexuelle vorerst aufgeschoben und durch lange Haftstrafen ersetzt wurde, müssen Lesben und Schwule in dem Ostafrikanischen Land mit Lynchjustiz und Behördenwillkür rechnen. Von Politik und Kirche jahrelang angestachelt, ist bei vielen der Hass auf Schwule und Lesben tief verwurzelt. Und der Hass bricht sich Bahn, Menschen werden angegriffen, verfolgt und getötet. Wie Melisas Freundin, die wegen ihrer Sexualität sterben musste.
Der Fall ging in Uganda durch die Presse. „Da siehst du, was passiert, wenn du so lebst“ war die Reaktion von Melisas Onkel auf den Tod ihrer Freundin. Sie hatte nur noch einen Gedanken: „Ich musste fliehen um mein Leben zu retten“. Ihre Schwester half ihr schließlich, besorgte Visum und ein Flugticket nach Frankfurt. In Deutschland wurde Melisa verhört, eingeschüchtert und ein halbes Dutzend mal „umverteilt“, wie es heißt, wenn Flüchtende von A nach B nach C in Sammelunterkünfte gebracht werden. Über Gießen und Waldkraiburg gelang sie schließlich mit der Hilfe mehrerer Organisationen nach München. Involviert war auch LeTRa, eine Beratungsstelle für lesbische Frauen in München. Melisa hatte den Mitarbeiterinnen eine Mail geschickt und um Hilfe gebeten, da sie in der Sammelunterkunft nicht sicher war vor den Belästigungen der dort lebenden Männer. In München kann sie nun Deutsch lernen, andere lesbische Frauen kennenlernen und ihre sexuelle Identität endlich frei und offen leben. Anders als auf dem Land, wo homosexuelle Flüchtende häufig keinen Zugang zur Community haben und isoliert sind.
Korrektive Vergewaltigungen
„Leider ist der Fall typisch für Uganda“ erklärt Diana von LeTRa Melisas Situation. „Die meisten der Frauen, die wir hier betreuen, kommen aus Uganda. Dort ist kein sicheres Leben für LGBTIQ möglich. Homosexualität wird stigmatisiert, die Menschen werden von den eigenen Familien bedroht und es kommt zu sogenannten „korrektiven Vergewaltigungen“ (der Vergewaltigung mit dem Ziel, Lesben „umzudrehen“, Anm. d. Red.). An einer unserer Klientinnen wurde Exorzismus durchgeführt, viele Menschen werden von der Polizei festgehalten“. Rita, die ebenfalls für LeTRa tätig ist, ergänzt: „Eine uns bekannte Aktivistin lebt in ihrem Büro und geht niemals zu Fuß oder an ihr unbekannte Orte. Sie lebt in ständiger Gefahr“.
Noch ist nicht sicher, ob Melisa in Deutschland bleiben kann, oder ob sie abgeschoben wird. Das entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, und zwar in jedem einzelnen Fall. Kann eine Flüchtende nicht glaubhaft darstellen, dass sie lesbisch und deshalb bedroht ist, muss sie zurück. Nach Uganda darf abgeschoben werden, denn der Staat behauptet, Homosexuelle zu schützen. „Ein Staat, der die Todesstrafe für Homosexuelle fordert, wohlgemerkt“ ergänzt Rita. Sie und Diana werden weiterkämpfen für jede Frau, die bei ihnen Schutz sucht.
Melisa hat in Deutschland die Freiheit gefunden, um ihre Identität zu leben. Im Sommer hat sie in München den ersten CSD ihres Lebens gefeiert, auf dem Wagen von LeTRa. Sie hat inzwischen gemeinsam mit anderen Flüchtlingsfrauen ein Netzwerk aufgebaut, ist zur Aktivistin geworden. Für die Zukunft wünscht sie sich nicht viel. „Ich will lernen, und versuchen, eine bessere Frau und Lesbe zu werden, um anderen Frauen zu helfen. Ich bin stolz darauf, lesbisch zu sein“.
MILES bietet Beratung und Hilfe zur Selbsthilfe für Migrantinnen und Migranten: Lesben, Schwule und ihre Angehörigen können sich zu Fragen von Coming-out und Homosexualität informieren. MILES bietet psychosoziale Beratung, leistet erste Hilfe in Krisensituationen und vermittelt an andere kompetente Beratungseinrichtungen. Insbesondere auch Flüchtlinge werden von dem Beratungsprojekt unterstützt.
Text:Sandra Henoch Foto:A. Jones/Flickr