Wie steht es um lesbische Sichtbarkeit in den Medien?

Community, Magazine

Written by Felicia Mutterer

30. September 2017

Frauenliebende Frauen sind für viele Menschen unsichtbar. Das liegt auch daran, dass schwule Männer deutlich präsenter in den relevanten Schnittstellen der Gesellschaft sind. Elke Amberg hat zu lesbischer Sichtbarkeit in den Medien geforscht, recherchiert und publiziert. Ein Gespräch über T-Shirts, Männer und lesbische Frauen. 

Wie viele Feminismus-T-Shirts hast du im Schrank?

Keines. Aber ein lesbisches T-Shirt … vom Lesbenfrühlingstreffen. Natürlich kenne ich die T-Shirts und finde sie wunderbar.

Immer öfter sieht man jetzt auch Männer mit „Ich bin Feminist“-Aufdruck auf dem Shirt.  Wie findest du das?

Super. Und noch besser finde ich, dass es immer mehr Männer gibt, die sich auch tatsächlich mit Feminismus beschäftigen. Ich wurde z.B. neulich von einem jungen, schwulen Mann mit meinem Vortrag zu lesbischer Sichtbarkeit gebucht. Und diese Erfahrung, dass jüngere Männer erstaunlich offen und informiert sind, Sexismus und Gleichstellung wirklich auf dem Schirm haben, ist neu für mich.

Du bist Anfang der 1960er Jahre geboren. War das früher anders?

Ja deutlich. Im Privaten haben heterosexuelle Frauen vom Partner vielleicht ein bisschen Unterstützung bekommen. Aber öffentliche Unterstützung von Männern, oder als lesbische Frau von schwulen Männern, das war eher selten. Die Szenen waren auch getrennt. Eher haben Lesben Schwule unterstützt. Denken wir an die Aidskrise in den 1980er Jahren. Da standen die Schwulen übel am Pranger. Es hieß, sie verseuchen unser Land. Zu diesem Zeitpunkt haben sich Lesben sehr solidarisiert und sich, ohne zu zögern, politisch für Schwule eingesetzt. Damals haben viele Lesben angefangen, in den aufkommenden Aids-Projekten zu arbeiten. Unsere Solidarität war voll da und das, obwohl lesbische Frauen am wenigsten vom HI-Virus betroffen sind, aufgrund der sicheren Sexpraktiken und des eher monogamen Lebensstils.

Welche Bedeutung hat der Begriff Feminismus für dich?

Feministin zu sein, ist ein Teil meines Erwachsenwerdens. Feminismus steht für mich für Selbstbewusstsein, Freiheit und Gerechtigkeit. In den 1990er Jahren habe ich als Rundfunkjournalistin professionell Frauenthemen bearbeitet und das Rollback in vollem Ausmaß mitbekommen, wie Frauenthemen wieder aus den Medien und der Politik verschwunden sind. Wenn es nun heute T-Shirts mit Feminismus Slogans gibt, die sogar von Männern getragen werden, oder die Women´s Marches in den USA mit ihren pinkfarbenen Pussy-Hats weltweit Nachahmer finden, dann sehe ich das als Zeichen, dass die jüngeren Frauen sich Sexismus und Rassismus, wie Trump es verkörpert, nicht länger bieten lassen. Und auch wir in Europa sind ja nicht gefeit vor solchen Entwicklungen. Siehe Polen, Ungarn, Frankreich mit Marine le Pen oder bei uns die Wahlprognosen, dass die AfD zehn Prozent bei der Bundestagswahl bekommen wird. Der Widerstand gegen diese Entwicklung wächst. Die jüngere Frauen stehen auf, werden politisiert. 

Du betonst das politische Engagement der jüngeren Frauen…

Ja, derzeit beschäftigt mich die unterschiedliche Herangehensweise an feministische Themen bei den verschiedenen Frauengenerationen. Wir sind durch unsere Biografien geprägt. Ich habe zum Beispiel 1981 Abitur gemacht und hatte eine ganz andere Ausgangssituation als eine Frau, die zum Beispiel im Jahr 2000 auf die Welt kam. Mich beschäftigt, wie diese unterschiedlichen Generationen mit den verschiedenen Voraussetzungen und Sichtweisen zusammenarbeiten können, so dass es ein gutes Miteinander gibt. 

Mehr Geschichtsbewusstsein bei den jüngeren Frauen und bei den älteren vielleicht mehr Neugier und Offenheit? 

Genau. Meine Generation und die noch ältere sollten sich ihrer Leistungen, Geschichte und Prägung durch die Zeit, in der ihr feministisches Engagement entstanden ist, bewusst sein. Es ist doch vollkommen normal, dass jüngere Frauen alles neu denken, neue Fragen stellen und mit dieser Haltung „Alles ist möglich“ in die Welt hinausgehen.

Strahlt diese neue Feminismuskultur, sich des Frauseins bewusst zu sein, auch auf frauenliebende Frauen ab?

Klar. – Ich spreche übrigens am liebsten von „lesbischen Frauen“, ebenso von „schwulen Männern“. Das trifft die Sache besser, denn ich denke, in erster Linie sind wir Frauen; und lesbisch zu sein, ist eine unserer Eigenschaften. – Alles, was an Frauenrechten auf den Tisch kommt, kommt lesbischen Frauen zugute. Wir leben immer noch in einer patriarchalen Gesellschaft. Auch wenn uns dauernd eingeredet wird, wir können und dürfen schon alles und seien schon gleichberechtigt. Es läge quasi an uns, an jeder Einzelnen, dass es uns dann doch nicht so ganz gut geht.

Woran denkst du da spontan? 

An den Gender Pay Gap, der noch immer bei 21 Prozent Lohn-Ungerechtigkeit liegt (vgl. Statisches Bundesamt). Und das ist ja noch krasser, wenn man Berufsbranchen vergleicht. Ganz viele lesbische Frauen, die ich kenne, arbeiten im Gesundheits- oder Sozialbereich.

Der Sektor ist grundsätzlich schlecht bezahlt.

Ja. Nur ein Beispiel: Der KFZ-Mechaniker und die Erzieherin. Zwei beliebte Berufe, der eine bei Männern, der andere bei Frauen. Bislang mussten Erzieherinnen für ihre Ausbildung bezahlen (!), KFZ-Mechaniker haben schon während der Ausbildung Geld bekommen – und nicht wenig. Das ist doch eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.

Gleiche Rechte für Mann und Frau ist das Ziel. Ebenso wie durchlässige Strukturen und diverse Sichtbarkeit. Wann zum Beispiel ist Sichtbarkeit gut, wann schlecht? 

Ein Beispiel: Die Ehe für alle. In den Medien war diese Diskussion viel an Kinder gekoppelt. Dadurch kamen lesbische Frauen in den Fokus, die Kinder haben oder wollen. Nicht wenige Heteros denken jetzt: Alle Lesben haben Kinder oder wollen welche. Was ja nicht stimmt. Die meisten lesbischen Frauen leben ja de facto kinderlos. Aber so entstehen einseitige Bilder.

Die auch Positives vermitteln können …

… Lesben können gut für Kinder sorgen, haben keinen schlechten Einfluss. Das ist ganz wichtig und wunderbar. Nur das Problem ist: Alle anderen Lesbenthemen sind außen vor. Im Gegensatz dazu hat das Bild von schwulen Männern weitaus mehr Facetten.

Wie erklärst du dir das?

Schwule Männer sind gut vernetzt und wie alle Männer, sind sie auch da, wo die Macht ist, auch in den Medien. Sie nehmen Teil an den Männerbünden und sitzen auch in Entscheidungspositionen. Ein schwuler Kulturchef pusht dann eben gerne einen schwulen Künstler, ein schwuler Politikredakteur schreibt dann eben über die Diskriminierung von schwulen Männern … Und dann gilt natürlich in unserer patriarchalen Welt, dass auch Schwule Männer sind, und das, was Männer machen, ist per se „wichtig“. Zudem haben sie einfach öfter das Selbstbewusstsein und den nötigen Hang zur Selbstdarstellung. Frauen sind oft zurückhaltender und betreiben zu wenig Selbstdarstellung, nach dem Motto „Jemand muss doch sehen, was ich drauf habe“.

Sind Frauen, die Frauen lieben, gleich zweifach im Hintertreffen: als Frau und zudem als homosexuelle Person?!

Ich benutze homosexuell nicht im Zusammenhang mit Frauen. Für mich ist er männlich besetzt.

Aber er ist doch neutral? Den Begriff müssen wir doch nicht den Männern überlassen?!

Das stimmt. Fakt ist aber, wenn von Homos gesprochen wird, sind oft die Männer, die Schwulen, gemeint.

Du weißt, wovon du sprichst. Du hast untersucht, wie Themen rund um Homosexualität in den Medien stattfinden.

Das Ergebnis der Studie ist: Lesbische Frauen kommen fast nicht vor in der Berichterstattung über Lesben und Schwule. Auch auf den Fotos werden fast immer nur Schwule gezeigt. Und der Begriff „lesbisch“ ist immer noch stark tabuisiert. „Lesbe“ oder „lesbisch“ als Begriff im Titel eines Zeitungsartikels gibt es nie, „schwul“ dagegen in einem Drittel der Artikel aus dem Themenbereich LGBT-Gleichstellung und CSD. Der Begriff „Lesbe“ hat noch dieses „Bäh“ an sich. Unsere Umweltministerin, Barbara Hendricks, ist zwar offen lesbisch, aber das wird so nicht benannt, sondern mit unverfänglicheren Formulierungen umschrieben wie „ist mit einer Frau zusammen“, „lebt mit ihrer Partnerin“, „ihre Freundin“ … Der Begriff „schwul“ dagegen wirkt schick, modern und ist mit Selbstbewusstsein assoziiert.

Was hast du in deinen Studien herausgefunden? Hat dich etwas besonders erschreckt?

Ich bin auf mehrere Artikel gestoßen, bei denen „schwul“ in der Überschrift stand, jedoch Lesben und Schwule gemeint waren. Zum Beispiel: „Schwule Polizisten werden diskriminiert“ und im Artikel ging es dann über die Situation von Lesben und Schwulen bei der Polizei. Frauen werden quasi subsumiert. Diese Differenzierung spielt in den Medien oft keine Rolle. Außerdem wird der Begriff „Schwul“ schlicht falsch benutzt. Diese komische Vermischung habe ich bei vielen Artikeln gefunden.

So schwer kann das doch nicht sein! Woran hakt es denn?

In vielen Köpfen gibt es keine Bilder von lesbischen Frauen. Die meisten Heteros kennen zumindest einen schwulen Mann, berichten aber, wenn man sie fragt, nicht von lesbischen Frauen in ihrem Umfeld. Und die (männlichen) Journalisten haben uns Lesben einfach nicht auf dem Schirm. Also verzerrte Wahrnehmung, Begrifflichkeiten werden nicht gewissenhaft eingesetzt … Und so wird lesbisches Leben und lesbischer Alltag, zum Beispiel das Thema „Lesben im Beruf“, öffentlich unsichtbar. Dabei ist die Unabhängigkeit, die Lesben durch ihre Berufstätigkeit bekommen, von existenzieller Bedeutung. Die visuelle Sichtbarkeit von Lesben war bei meiner Untersuchung ganz schlecht. 

Hat sich da seit Veröffentlichung deiner Studie 2011 etwas geändert?

Ja. Insgesamt werden nun auch Lesben etwas mehr benannt und es finden sich hin und wieder sogar Bilder von lesbischen Frauen. Was es zuvor quasi gar nicht gab. Das ist sehr erfreulich. Dabei werden oft auch jüngere Frauen dargestellt. Es gab doch tatsächlich ein küssendes Frauenpaar beim Artikel über den CSD in der Süddeutschen Zeitung. Gleichzeitig wird lesbische Sexualität oft durch die Männerbrille dargestellt. So werden zum Beispiel auf einem anderen Bild, das ich analysiert habe, lesbische Frauen in nassen T-Shirts gezeigt. Muss das sein?! Da findet eine Art Sexualisierung statt. Ich muss ja nicht erwähnen, wie beliebt lesbischer Sex in der Pornoindustrie ist.

Wo siehst du die Verantwortung? Bei den Medien, der Community, in der Politik?

Wichtig ist vor allem, dass sich lesbische Projekte gut vernetzen und die Frauen die lesbischen Themen selbstbewusst nach außen tragen. Der nächste Schritt ist die Sichtbarkeit in der Community. Da haben die lesbisch-schwulen (Stadt-)Magazine eine Verantwortung, etwas dazu beizutragen.

Einen Satz, den du uns Frauenliebenden mitgeben willst?

Für unsere Themen und unsere Sichtbarkeit, Verantwortung zu übernehmen. Das heißt zum einen, beispielsweise zur Bundestagswahl zu gehen und die richtigen Parteien zu wählen – also die Parteien, die Frauen, Lesben und soziale Gerechtigkeit im Programm haben. Zum anderen ist es wichtig, dass diejenigen lesbischen Frauen, die die Möglichkeit haben, offen lesbisch zu leben, sich bewusst sind, wie sehr sie Vorbild für andere sind, die aus unterschiedlichen Gründen noch versteckt leben. Ich bin sicher, es gibt noch genügend Frauen, die mit einem Mann zusammen sind, weil sie sich nicht trauen, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Daher ist jede von uns auch eine Vorreiterin für andere, ihr Lesbisch-Sein offen zu leben.

Headerillustration: Caro Mantke

Anmerkung: Dieses Interview erschien im gedruckten STRAIGHT Magazine 2017

 

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